Interview mit Malin Kraft

3. Dezember 2024
Laura: Was begeistert dich am Schauspiel?  
Malin: Schauspiel begeistert mich in so vielen verschiedenen Aspekten, die ich gar nicht alle benennen kann. Zum einen ist es das Ausleben von Gefühlen und Emotionen, die im Alltag oft verborgen bleiben, aber auf der Bühne Raum finden. Sich mit unserer Natur zu beschäftigen, in die menschlichen Abgründe zu steigen und nebenbei das eigene Ich besser kennenzulernen, ist für mich immer wieder faszinierend. Für mich ist es eine Bereicherung, während der Arbeit seiner Kreativität nachgehen zu können und den eigenen Horizont mit jeder neuen Produktion zu erweitern. Darüber hinaus mit dem Publikum, also fremden Menschen, einen flüchtigen Moment zu erleben, der einzig und allein im Hier und Jetzt besteht und danach nur als Erinnerung existiert, ist in der heutigen Zeit, wo alles festgehalten wird, eine erfrischende Abwechslung, die ich sehr schätze. Ebenso finde ich es großartig und wichtig, was das Theater als Medium kann und welche Kraft es besitzt. 
 
Laura: Hast du eine Lieblingsrolle?
Malin: Eine Lieblingsrolle habe ich nicht. Zu manchen Figuren finde ich einen schnelleren Zugang und fühle eine stärkere Verbindung. Dann ist es manchmal schon sehr traurig, wenn diese Stücke abgespielt werden und das Textbuch zum Einstauben ins Regal gestellt wird. Für mich ist jede Rolle eine einzigartige Erfahrung, und die Vielfalt an unterschiedlichen Charakteren schätze ich so sehr, dass ich keine von meinen gespielten Rollen als Liebling herausheben kann. 
 
Laura: Auf welches Stück freust du dich in dieser Spielzeit am meisten? 
Malin: Am meisten freue ich mich auf nächstes Jahr, wenn Kleist mit Penthesilea auf dem Spielplan steht. Da ich im Schauspielstudium meinen Abschlussmonolog aus diesem Klassiker gewählt habe, freue ich mich besonders darauf, im April mal das ganze Stück erleben zu dürfen.
 
Laura: Hast du ein Lieblingstheaterstück?
Malin: Ein Lieblingsstück habe ich nicht. Wenn mich eine Inszenierung fesselt, kann ich mir das Stück auch fünfzehnmal ansehen und da ist meine Liste lange! 
 
Laura: Kannst du auf Knopfdruck weinen? 
Malin: Ich habe es noch nie versucht und möchte es auch nicht können. Für mich ist es uninteressant, jemanden auf der Bühne weinen zu sehen. Was es für mich berührend macht, ist zu sehen, wie die Figur dagegen anzukämpfen versucht. Ich kann auch auf der Bühne weinen, aber ich lasse es aus der Situation entstehen. Wenn es kommt, dann kommt es, wenn nicht, dann nicht. Wichtig ist, dass man seine „inneren Ventile“ kontrollieren kann und sich nicht im Moment verliert. 
 
Laura: Was war dein schönstes Erlebnis im Theater?
Malin: Auch wenn es vielen Zuschauern nicht bewusst ist, bekommen wir als Schauspieler auf der Bühne sehr viel von dem, was im Zuschauerraum passiert, mit. Das geht von unerwünschten Fotos bis hin zu Kommentaren. Aber ebenso spüren wir auch die Dynamiken und Energien, die vom Publikum aus kommen. Es ist ein Geben und Nehmen, ein ständiger Austausch, und sobald mich dieses Gefühl erreicht, kann ich mir kein schöneres Erlebnis im Theater vorstellen. 
 
Laura: Was machst du vor einem Auftritt?
Malin: Panisch hinter der Bühne hin- und herrennen und die Regieassistentin verrückt machen – haha! 
Was ich vor einer Vorstellung mache, ist rollenabhängig, aber eine Sache ist immer gleich: Das Textbuch muss für meinen Seelenfrieden hinter der Bühne liegen! 
 
Laura: Was hilft für dich gegen Lampenfieber?
Malin: Sehr gute Vorbereitung, bewusste Steuerung der Gedanken, Rituale, aber vor allem: Atmen! Ich persönlich habe viel mit Lampenfieber zu kämpfen, aber es gibt einige Tricks, die dabei helfen, den Fokus auf etwas anderes zu lenken. Mir hilft es, das Lampenfieber als etwas Positives anzunehmen, anstatt es gedanklich negativ zu betiteln.  
 
Laura: Denkst du, dass jede und jeder Schauspieler werden kann? 
Malin: Nein, weil sicherlich nicht jeder dazu bereit ist, sich innerlich auf der Bühne nackt auszuziehen. Die Erfahrung, auf einer Bühne zu stehen, würde ich jedem ans Herz legen, aber um diesen Beruf professionell ausüben zu können, benötigt es meiner Meinung nach, wie auch beim Leistungssport, eine gewisse Veranlagung.
 
Laura: Welches Vorurteil über Schauspieler*innen stimmt deiner Meinung nach zu 100%? 
Malin: Ich bin mir zu 100% sicher, dass es gegenüber Schauspieler*innen kein Vorurteil gibt, das auf alle zutrifft. Vielleicht könnte man sagen, dass alle Schauspieler*innen auf ihre eigene Art und Weise nicht mehr alle Tassen im Schrank haben. Aber wer hat das schon?